03.-19.06.06
Russland/ Ukraine
Russland_ Koestliche Gastfreundschaft
03. Juni 2006_ Die quirlige Stadt Jalta, in der unser letzter Bericht endet, hat uns leider nicht wieder gesehen. Es zieht uns magisch weiter nach Osten. Am 1. Juni hat bereits unser Russland Visa begonnen. Aber vorerst muessen wir in der Pension in Alushta nicht wie gedacht 40$ bezahlen, sondern 80$. Solche kleinen Kommunikationsfehler gehen ganz schoen auf die Reisekasse. Jetzt wird erstmal gespart….

Wir verlassen den suedlichsten Teil der Krim. Fuer unseren Geschmack zu eng besiedelt und ein bisschen zuviel Tourismus. Doch weiter oestlich finden wir einen traumhaften Standplatz auf einem Berg mit Blick auf das Meer zur einen, und Blick in die Berge zur anderen Seite. Das entschuldigt fuer die vielen Dollars…

Dann verlassen wir die Halbinsel.

05. Juni 2006_ Eine bizarre Steilkueste mit einer unglaublichen Aussicht, 30 Meter ueber dem Asowschen Meer. Unser neuer Uebernachtungsplatz. Dazu die Moeglichkeit, ein erfrischendes Bad im Meer zu nehmen. Wir sind gluecklich und bleiben gleich ein paar Tage. Russland kann warten. Nachmittags gesellt sich eine Gruppe junger Leute in unsere Naehe. Es wird Geburtstag gefeiert und wir werden eingeladen. Es gibt Bier und Schaschlik. Gern gesehen ist, wenn man selber Bier mitbringt. Wir haben keines und geben dafuer drei Kümmerling aus: „German Kraeuterschnapps“. Es sorgt wenigstens fuer Belustigung. Doch die jungen Leute sind sehr dem Alkohol zugeneigt, was fuer uns bedeutet, den Rueckzug anzutreten. Doch die „Gastfreundschaft“ der Ukrainer ist nicht zu unterschaetzen und man muss sehr energisch zeigen, dass man gehen moechte. Doch dann macht sich die kleine Gesellschaft auf zwei klapprigen alten Ural-Gespannen auf den Weg in die Disko.        

Die Ruhe ist wieder unser… 

 

08. Juni 2006_ Es geht fruehzeitig los, damit wir vormittags die Grenze passieren koennen. Wir durchfahren Mariupol, eine Industriestadt. Die Aussichten, die man dort bekommt, sind teilweise beaengstigend.

Mitten in der Stadt, bei hohem Verkehrsaufkommen und erfolgloser Schildersuche faehrt Jörgen ueber einen Zebrastreifen ohne anzuhalten. Kein Problem soweit. Doch schon wird der gestreifte Polizeistab geschwungen und einer der 6 (!) Polizisten, versteckt hinter der Kurve, winkt uns raus. Oh nein! ueberfahren eines 4- spurig breiten Zebrastreifens mit wartenden Fussgaengern. Dazu noch ein Auslaendisches Fahrzeug ... Nach einigen Minuten Unterhaltung mit dem strengen Polizisten wird dieser jedoch locker und fragt uns aus. Doch was hilfts, wir muessen raus, Personalien aufnehmen. Vorsorglich packen wir das meiste Geld aus dem Portemonnaie. Im Notfall haben wir leider nicht viel dabei… Nach einiger Zeit extrem muehsamer Personalienaufnahme auf Grund von schwerer sprachlicher Verstaendigung gibt der Polizist auf. Wir koennen gehen- ohne zu bezahlen und ohne „present germania ?!“.

Ankunft an der Grenze. Es regnet in Stroemen, einem Unwetter gleich. Die Grenzbeamten sehen zum fuerchten aus, bedingt durch den Regen tragen sie schwarze, lange Regenumhaenge zu den strengen russischen Uniformen. Wie immer, erstmal ein Formular ausfuellen. Alles nicht so einfach, wenn man der russischen Sprache nicht maechtig ist. Die Beamten sehr schnell, dass sie es tatsaechlich mit 2 verrueckten Touristen zu tun haben, die in einem Auto wohnen …Wir haben erwartet, dass dieses gruendlich unter die Lupe genommen wird. Doch zuerst muss der Hund raus. Muffin geht allerdings nicht gern aus dem Auto, wenn ihm die Leute nicht geheuer sind. Somit stemmte er alle vier Pfoten in den Boden und weigerte sich, zur Belustigung aller, aus dem Wagen zu springen… Der Beamte nahm es gelassen- Gott sei Dank! Er warf einen Blick hinten rein, liess uns die Klappbaenke oeffnen und wollte wissen, ob wir Waffen dabei haben. Wir muessen als Touristen wirklich glaubwuerdig aussehen, denn ein einfaches „Nein“ ueberzeugt ihn sofort und die Inspektion war abgeschlossen.

Der Rest war ein umstaendliches zusammen sammeln der noch fehlenden Unterlagen. Doch ueberall sitzen freundlich gesinnte Menschen und helfen, auch ohne sprachliche Verstaendigung gern weiter. Nach anderthalb Stunden sind wir durch. Muffin hat niemanden interessiert.

Wir passieren zu unserem erstaunen einen Campingplatz und nutzen den „Luxus“. Von da geht’s weiter in die schoene Stadt Rostov am Don. Endlich Gelegenheit, einen Weltempfaenger mit Kurzwelle zu kaufen. Es ist dringend- am Abend ist das Eroeffnungsspiel! Die Nacht verbringen wir bei einem Bauern auf dem Grundstueck. Man wird mit der Zeit etwas unbefangener, fremde Leute zu fragen, ob man bei Ihnen eine Nacht auf dem Grundstueck stehen darf. Die Leute gehen sehr unproblematisch damit um. Allerdings klopfte es am naechsten Morgen um 9 Uhr gegen die Autotuer… Ein Teller frischer Erdbeeren wurde uns reingereicht und ein „Guten Morgen!“ gewuenscht.

Wir haben Russland mehr oder weniger als „Durchfahrtsland“ erkoren und bewegen uns Richtung Kasachstan. Der suedliche Teil besteht aus oeder Steppe. Aber wir haben Glueck und finden 2x schoene Plaetze an 2 Seen zum uebernachten. Wir gewoehnen uns daran, an einem Tag bis zu 5 mal kontrolliert zu werden. An den Bundesgrenzen und an den Stadtgrenzen gibt es Kontrollpunkte. Wir werden fast immer raus gewunken… Allerdings gleicht die Kontrolle eher einem netten „Kaffeeklatsch“. Die Beamten bestaunen interessiert unseren Wagen, oder man spricht ueber Fußball. Das faehrt dazu, dass wir die Kontrollen mit gutem Gefuehl anfahren und uns auch sonst sehr wohl hier fuehlen. 

12. Juni 2006_ Wir haben noch 6 Tage bis zur Einreise nach Kasachstan. Wir haben jetzt den suedlichsten Teil Russlands durchquert. Duenn besiedelte, oede Steppe. Kein Landstrich, der zum laengeren Verweilen einlaedt. Deswegen fahren wir nach Astrachan, im wunderschönen Wolgadelta gelegen, 30 km vor der Grenze. Dort angekommen, erwartet uns jedoch ein ungewoehnlicher Zustand. Das Delta ist ueberschwemmt von kleinen, stechenden Fliegen. Ein Aufenthalt ausserhalb des Wagens gleicht einem Horrortrip. Die Fliegen sind in Ohren, Nase, Mund- ueberall. Wir wechseln den Platz. Es bessert sich nicht, wir bleiben den Abend im Auto. Den naechsten Tag verbringen wir in der schoenen Stadt. Hier kann man es aushalten. Abends suchen wir einen neuen Standort- das gleiche Drama. Alles voll Fliegen und wir stehen vor der Grenze und koennen erst am 19. nach Kasachstan einreisen. Also, noch mal zurueck ins Landesinnere? Oder Richtung Sueden, ans Meer? Wir sind total genervt, wollten wir doch die letzten Tage hier verbringen und nicht wieder 400 km zurück in die oede Steppe fahren. Auch Muffin leidet sehr unter den Blutsaugenden Monstern in Miniformat. Wir muessen handeln und beschliessen Richtung Sueden ans Meer, raus aus dem Delta zu fahren. Und dann spielt am Abend auch noch Deutschland gegen Polen. Wir finden auf der Landkarte einen groesseren Ort, um dort eine Sportsbar zu suchen. Mittlerweile hat ein solcher Sturm eingesetzt, dass wir meinen an der Nordsee zu sein und von den Fliegen ist nichts mehr zu sehen. 

14. Juni 2006_ Der Ort Liman ist eher klein und beschaulich. Nicht sonderlich attraktiv. Und eine Sportsbar gibt es erst recht nicht. Wir tragen es mit Fassung. Suchen wir uns eben irgendeinen netten Platz und nutzen die Tage, um Berichte zu schreiben. So dachten wir zumindest- haetten wir nicht an diesem ulkigen Kaffee angehalten, der „SASTAWA- BAR“, um –in einem letzten Versuch- zu fragen, ob es ein Gasthaus mit Fernsehen gibt. Das Schicksal meinte es gut mit uns. Die beiden Damen hinter dem Tresen, Valencina und Sweta waren sehr freundlich und erfreut mit uns zu plaudern. Valencina sprach sogar Englisch, da sie einige Jahre in Dubai gearbeitet hatte. Schnell wurde zum Telefon gegriffen und diverse Leute angerufen. Binnen kuwrzester Zeit waren wir bei Freunden eingeladen. Mit Dusche, Bett und Fernsehen… Das haben wir nicht erwartet!

Die naechsten 4 Tage verbringen wir in Liman, lernen viele Leute kennen und werden herzlichst beherbergt und verkoestigt. Wir wohnen 2 Naechte bei Suchra (auch eine Mitarbeiterin in dem Cafe) und Ihren Eltern. Sie haben ein Haus im Ort mit einem ueppigen Obst-, Kraeuter- und Gemuesegarten. Wie bei den meisten Leuten hier, wird viel fuer den Eigenbedarf angebaut.

Wir tauchen ein, in eine uns fremde Welt. Jetzt bestaunen wir das Leben der Leute nicht nur von „Aussen“, sondern sind mittendrin.

Zudem gesellt sich Goscha, 17 Jahre, zu uns. Er ist der Sohn von Valencina und spricht sehr gut Englisch. Er begleitet uns die Zeit, die wir in Liman verbringen und uebersetzt fuer uns. Fuer ihn eine wunderbare Abwechslung in dem eher tristen Dorfleben und eine gute Gelegenheit, sein English ein wenig aufzufrischen.Man laedt uns abends zum Bier ein und da wir auch eine Runde ausgeben wollen, gehen wir nach der ersten Runde schnell zur Bar und bestellen die naechste. Als wir bezahlen wollen, weigert die Bedienung sich, uns abzukassieren. Nein, wir sind Gaeste und es ist alles bezahlt. So geht es die ganzen naechsten Tage. Wir geben es auf, uns zu „revanchieren“, geniessen die Gastfreundschaft und bedanken uns ueberschwaenglich mit unserem minimalen Wortschatz. Es ist anfaenglich etwas unangenehm und ungewohnt, so reich beschenkt und stets eingeladen zu werden. Doch es ist einfach so ueblich und die Leute sind herrlich unkompliziert! Am Abend sitzen wir mit Suchras Eltern zusammen, bei einer koestlichen Suppe und zwischendurch wird mit Wodka auf den Besuch angestossen – des Oefteren. Dies hat zur Folge, das Joergen selig schlafend das 1:0 fuer Deutschland verpennt.  Am naechsten Tag wird unser Auspuff- mal wieder- repariert und derweil wird ueber der gluehenden Kohle das beste Schaschlik, das wir je gegessen haben, gegrillt.

Die naechste Nacht verbringen wir bei Goschas Mutter Valencina. Sie wohnen einen Ort weiter in einem alten Holzhaus. Die Verhaeeltnisse hier sind wesentlich einfacher als bei Suchra in Liman. Wir aber fuehlen uns pudelwohl. Mittags fahren wir zu einem Picknick an die Wolga und schnell wird ein Bekannter gefragt, um mit uns eine Runde im Motorboot auf dem Fluss zu drehen. Auch abends wird reichlich aufgetischt, wir schauen Fotos an und plaudern lang. Es ist wunderschoen.Zu allem Ueberfluss gibt es seit einer Woche sogar ein Internetcafe in Liman und wir nutzen diese Gelegenheit am letzten Tag. Dann schauen wir noch einmal in der Sastawa- Bar vorbei, um uns von Valencina und Sweta zu verabschieden. Es ist noch der Rest einer Hochzeitsgesellschaft vor Ort und wir werden sofort etwas unsanft zum Tanzen (mittags um 3 Uhr) aufgefordert. Hier feiert man ueber 2 Tage. Der Gesellschaft ist dies deutlich anzumerken. Sind doch alle schon sehr weit von „Gut und Boese“ entfernt. Der Abschied faellt schwer. Es hat uns gut gefallen und allen schien die kurze Pause aus dem Trott des Alltags gefallen zu haben. 

 

19. Juni 2006_ Die Grenzueberquerung nimmt ca. 2 Stunden in Anspruch. Auf der russischen Seite stellt sich heraus, dass man uns bei der Einreise einen Stempel auf das Tieraerztliche Zeugnis haette geben muessen… Die nette Veterinaerin sieht darueber hinweg und stempelt das Gesundheitszeugnis von Muffin auf der Rueckseite ab. Dann wirft sie noch einen Blick auf Muffin, der im Auto sitzt und sie neugierig anschaut. Alles klar- der Hund sieht gesund aus- das wars!

Aha- diese Prozedur muessen wir also an den Grenzen wiederholen. Und hat erstmal einer seinen Stempel draufgesetzt, faellt es allen anderen auch leicht. So auch auf der kasachischen Seite. Der Veterinaer sitzt in seiner Butze, freut sich ueber den freundlichen „Besuch“ - sieht den Stempel, zoegert nicht und knallt seinen daneben. Fertig. Den Hund will er nicht sehen. Den eigentlich wichtigen Impfpass auch nicht und dass unser Tieraerztliches Zeugnis netterweise von unserer Haustieraerztin und nicht, wie vorgeschrieben vom Amtstierarzt ausgestellt ist, interessiert sowieso niemanden.

Nach vielen Dokumenten und freundlicher Unterstuetzung aller Anwesenden sind wir durch. Mal wieder ohne Probleme.Manch einer fragt sich vielleicht, warum wir immer ausfuehrlich ueber die Grenzuebertritte berichten, aber liest man vor der Reise die Erfahrungen anderer Reisender und die Anforderungen die man erfuellen muss, erwischt man sich manchmal bei dem Gedanken, die Reise abzublasen…