18.10 - 14.11.06
Iran
Iran_ Großartiges Land und überraschendes Ende

18. Oktober 2006_ Direkt hinter der Turkmenischen Grenze liegen die Grenzgebäude des Iran. Es bleibt beim Überqueren kaum Zeit, um noch schnell das Kopftuch aufzusetzen. Dies gehört jetzt zum neuen und indiskutablen Outfit von Jessica. An der Grenze werden wir freundlich behandelt und alles verläuft reibungslos. Eigentlich hatten wir Sorge wegen Muffin, denn Hunde gelten im Islam als unrein. Der nette Beamte, der etwas Englisch spricht, erkundigt sich bei der Zollstelle und teilt uns mit, ein Hund sei absolut kein Problem. Unser Carnet de Passage muss noch ausgefüllt und abgestempelt werden, damit man sicher gehen kann, dass wir unseren alten Cruiser nicht im Land verkaufen. Sehen will das Auto niemand. Bei allem Tumult vergessen wir jedoch, nach der Zolldeklaration zu fragen. So beschließen wir am nächsten Tag, doch noch mal zur Grenze zu fahren, um nachzufragen. Sicher ist sicher. Und auch diesmal bestätigen uns die freundlichen Beamten, dass eine Zolldeklaration bei unserer kleinen Habe nicht nötig ist. Und man legt viel wert darauf, uns zu erklären, dass der Iran äußerst liberal ist.

  

19. Oktober 2006_ Wir fahren in die Stadt Quchan. Es ist der erste Ort, den wir nach der Einreise erreichen. Und nun zeigt sich, wovon man schon so viel gehoert und gelesen hat. Dachten wir. Doch was uns wirklich erwartet, ist ganz anders, als unsere Vorstellungen vom Iran. Der Ort Quchan gleicht einer italienischen Kleinstadt. Überall flitzen kleine Motorräder mit zwei, drei oder vier Personen besetzt durch die engen Autolücken. Es wird wild gehupt und überall herrscht reges Treiben. Die Männer sind erstaunlich modisch gekleidet. In Cuchan tragen allerdings fast alle Frauen den schwarzen Chador/ Ganzkörperschleier. Allerdings ist das, was unter dem Chador hervorlugt, alles andere als „konservativ". Schicke Schuhe und knackige Jeans sind zu sehen. Und in den Modegeschäften wird dann ganz offenbar, was iranische Frauen an freizügigen Kleidungsstücken so „normal" zu Hause tragen. Und an Selbstbewusstsein mangelt es weder den Männer, noch den Frauen.

Jessica ist behelfsweise mit einem langen Hemd von Jörgen und einem roten Kopftuch bekleidet. Als Ausländer fallen wir natürlich auf, aber mit einem falsch geknoteten Kopftuch in rot um so mehr. Es war etwas unangenehm. Musterten einen vor allem die Frauen sehr direkt von oben bis unten. Dem mussten wir dringend Abhilfe verschaffen, sind ins nächste Geschäft und haben erstmal ein langes Oberteil gekauft. Der Islam verlangt, dass alle Frauen mit Kopftuch bekleidet sind und ein Oberteil tragen müssen, welches den Po und die Ellenbogen bedeckt. Das ganze möglichst nicht figurbetont. Doch nach einiger Zeit sehen wir, dass einige Frauen mit sehr modischen, bunten Kopftüchern und ebenso modischen und engen Oberteilen durch die Stadt spazieren. Wie sich in der nächsten Zeit zeigt, ist es von Region zu Region sehr unterschiedlich, was die Frauen tragen. Richtung Kaspisches Meer kommen wir durch Orte, in denen bunte, enge Kleider und traditionell bestickte Tücher getragen werden. Die Tücher sind groß und vorn nicht zugeknotet. Manche Orte sind eher freizügig mit dem Umgang der Kleidung wie z. B. Teheran und manchen merkt man sofort an, dass sie sehr konservativ sind. So müssen sich die Frauen mit dem großen Chador „plagen", der immer mit einer Hand fest-, bzw. zugehalten werden muss, weil er runterrutscht, aufweht und einfach nicht wirklich praktikabel erscheint.

 

21. Oktober 2006_ Wir halten uns noch etwas in der Region um Gonbad- e- Kavus auf und besuchen Louise Firouz. Wir haben über andere von Ihr gehört und können im Internet einiges über Ihr Leben lesen. Louise ist schätzungsweise um die 70 und hat in den 60iger Jahren im Iran das „Kaspische Pferd" entdeckt. Eine sehr zähe kleine Pferderasse die besonders ausdauernd und sehr elegant ist. Louise hat später damit begonnen, diese Pferderasse nach Amerika zu exportieren und somit ihren Fortbestand zu sichern. Sie selbst hat einen Iraner geheiratet und lebt heute auf einem Gestüt. Allerdings züchtet sie hier jetzt das Turkmenische Pferd. Wir bleiben zwei Tage, da wir nach dem Turkmenistan Trip eine Pause brauchen. Wir verbringen eine sehr unterhaltsame Zeit dort und Jessica kann endlich mal wieder Zeit im Sattel verbringen. Vielleicht wird Louises aufregendes Leben bald verfilmt. Das sollte man nicht verpassen.

  

25. Oktober 2006_ Da unser Auto nach der Turkmenistan-Panne mal wieder repariert werden muss, steuern wir Teheran an. Wir haben Glück und haben über www.chouchsurfing.com Arya kennen gelernt und können bei Ihm und seinen Eltern im Haus bleiben, so lange wir wollen. Sie leben im Norden Teherans, in einer der luxuriöseren Gegenden. Das Haus hat gigantische Ausmaße und alle sind sehr gastfreundlich. Die Reparatur verläuft problemlos und die fürsorglichen Eltern weihen uns in die typisch Iranische Küche ein.

Allerdings kristallisiert sich jetzt immer mehr heraus, dass unsere Reisepläne stark ins wanken geraten. Nicht nur, dass das Auswärtige Amt eine Reisewarnung für Belutschistan (Belutschistan ist der südöstliche Teil Irans und der südwestliche Teil Pakistans, der direkt an das südliche Afghanistan anschließt) herausgegeben hat, auch alle Einheimischen raten uns dringend ab, durch diesen Teil Irans und Pakistans zu fahren. Es wurden dort im März diesen Jahres Touristen gekidnappt und 12 weitere erschossen. Weiterhin problematisch ist, dass durch das Gebiet die Hauptschmuggelrouten für Opium aus Afghanistan verlaufen. Daher kann es sehr gut sein, dass eventuell jemand an unserem Auto Interesse zeigen könnte, da der alte J4 Landcruiser im Iran sehr beliebt ist und zum alltäglichen Straßenbild gehört.

Eine harte Woche steht uns bevor, in der wir alle für und wider durchgehen, diskutieren usw. Wir telefonieren uns die Finger wund, ob es nicht eine Möglichkeit per Schiff nach Indien gibt. Diese gibt es nicht. Schweren Herzen beschließen wir, Richtung Heimat zu fahren, was sich nach langem „abwiegen" vorerst als einzige Möglichkeit herauskristallisiert. Wir werden das Gefühl nicht los, dass es auch positiv ist, erstmal nach Deutschland zu fahren, um Auto und Kasse wieder auf Vordermann zu bringen. Dennoch, die Enttäuschung ist groß und Teheran sieht nicht viel von uns.

Zwei Tage sind wir dann allerdings doch unterwegs. Die Stadt hat sage und schreibe ca. 16 Millionen Einwohner und der Smog lässt einen manchmal kaum zu Atem kommen. Der Basar ist gigantisch und das Gewusel von Autos Menschen und Mopeds lässt einen manchmal schwindelig werden. Aber die Stadt ist extrem aufregend und liebenswert. Wir gehen shoppen und futtern uns in den leckeren Restaurants die Bäuche voll. Zudem sind die iranischen Süßigkeiten, die in kleinen Kartons verkauft werden, ein Traum.

Nur Muffin hat es in dieser Woche nicht so leicht. Hunde sind in ganz Teheran verboten. Laut Islam sind Hunde unrein. Dennoch begegnen uns und Muffin die Leute meistens sehr positiv und sogar begeistert. Und es stellt sich heraus, dass Muffin nicht der einzige Hund in der Umgebung ist. Und im Supermarkt gibt es tatsächlich Hundefutter zu kaufen?!

Nachdem wir die Gastfreundschaft von Arya und seinen Eltern lange beansprucht haben, fahren wir gen Süden, Richtung Wüste.

 

01. November 2006_ Kaum haben wir Teheran und die angrenzende Bergkette verlassen, ändert sich die Landschaft und wir fahren durch die karge, aber wunderschöne Wüste „Dasht e Kavir". Hier ist der Himmel endlos weit und wir können endlich einmal wieder tief durchatmen. Man hat uns empfohlen, nach Garmeh zu fahren. Garmeh ist eine kleine Palmenoase mitten im Nichts. Nach drei Tagen erreichen wir diesen kleinen Ort. Es ist heiss und auf den ersten Blick gibt es nichts, außer den unscheinbaren Lehmhäuschen. Wir brauchen eine Weile, bis wir in den engen Gassen das Hostel gefunden haben. Wenn man eintreten will, muss man sich erstmal bücken. Eingang und Flure sind extrem niedrig gebaut. Dann kommt man in den hellen und hohen Hauptraum. Er ist an die drei Meter hoch und die Decke besteht aus einer Art Baldachin aus Stoff. Alles ist hell und freundlich und vor allem herrscht durch die typische Wüstenarchitektur des Hauses eine angenehme Kühle. Eine Art Podest mit großen Kissen lädt zum chillen ein und ein großes Fenster gibt den Blick frei auf den Palmenhain, der direkt hinter dem Haus beginnt. Oh ja, hier kann man verweilen. Da das Hostel so gut wie ausgebucht ist, bekommen wir ein „Zimmer" auf dem Dach. Für uns perfekt. Wir haben einen sagenhaften Ausblick über den ganzen Ort, über die Palmen bis zu den Bergen in denen die lebensspendende Wasserquelle der Oase entspringt.

Am Abend lernen wir Marsiav, den Sohn des Hostelbesitzers kennen. Der Mann selbst ist schon eine unglaubliche Erscheinung und nach dem Abendessen kommen wir auch noch in den Genuss, seiner musikalischen Fähigkeiten. Wir hören zum ersten Mal, wie man aus alten Tonkrügen ein Trommelsolo herauszaubert.

Am nächsten Morgen fahren wir in die Salzwüste, um uns diese außergewöhnliche Form einer Wüste anzuschauen. Dann fahren wir zu einem verabredeten Treffpunkt. Wie Iraner so sind, warten wir eine Stunde auf die Anderen. Die Anderen sind eine Gruppe junger Teheraner Paare, die ein paar Tage Urlaub in Garmeh machen. Sie sind alle in unserem Alter und gehören eher der „Upper Class" Teherans an.

Weiter geht es nun im Konvoi auf unglaublich guten Strassen in die Wüste. Hier ist sie noch sehr stark mit Büschen bewachsen und im Hintergrund steigen die Berghänge empor. Wir machen Stopp in einem kleinen Ort, bestehend gerade mal aus einer Strasse. Die Kamele stehen schon bereit und wir lassen uns für eine halbe Stunde durch die Dünen schaukeln. An sich ist das ganze sehr touristisch, aber wir haben unseren Spaß. Danach fahren wir noch einige Kilometer weiter bis an den Rand eines kleinen Abhangs, von dem man eine fantastische Sicht über richtig hohe Sanddünnen hat. Die Sonne ist gerade dabei unterzugehen und bietet ein besonders schönes Lichtspiel auf dem braunen Dünensand.

Wir sind das erste Mal in diesen hohen Sanddünen und es macht unglaublich Spaß, sich in dieser riesigen Sandkiste zu tummeln. Für Muffin der beste Spiel- und Buddelplatz überhaupt. Nach dem Sonnenuntergang macht Marsiav ein Lagerfeuer und wir werden von den jungen Leuten zu einem Schnaps eingeladen. Sie haben ihn aus Rosinen selbst gebrannt. Hier wird heut Nacht wohl kein Polizist oder Sittenwächter vorbeikommen....

Nach einiger Zeit ist die Stimmung sehr ausgelassen und es liegt den Iranern sehr am Herzen, uns zu „demonstrieren", dass Iraner gar nicht „langweilig" sind und dass sie auch ohne Diskotheken und Kneipen ihren Spaß haben. CDs werden eingelegt und ausgelassen zu der Musik getanzt. In interessantren Gesprächen erfahren wir einiges über das Leben der jungen Leute und über ihre Arbeit in der Islamischen Republik. Sie sind sehr stolz auf ihr Land und das zu Recht. Die politische Lage und das Vorgehen der Regierung unterstützen sie nicht. Wir lernen im Iran nicht sehr viel Einheimische kennen, doch die, die wir kennen lernen zeigen sehr deutlich, das Regierung und Volk nicht immer „zusammengehören". Nachdem wir den Rest des Abends gemütlich am Lagerfeuer verbringen und Marsiav nochmals seiner Trommel tolle Klänge entlockt, verabschieden sich die Teheraner und fahren zurück ins Hostel. Wir haben das Glück und bleiben direkt an Ort und Stelle bei der klaren Vollmondnacht stehen. So haben wir Gelegenheit am nächsten Morgen noch etwas im Sandkasten zu spielen. Allerdings glüht schon bald die Sonne so stark, das auch wir die Sachen packen und es vorziehen, in der Mittagshitze bei geöffnetem Fenster im Auto zu fahren. Das einzig Erträgliche um diese Uhrzeit.

  

07. November 2006_ Wir fahren weiter Richtung Süden nach Yazd, da man uns vorgeschwärmt hat, dass es dort einen tollen Basar geben soll und viel alte Architektur. Wir kommen natürlich erst Mittags an und haben uns noch nicht daran gewöhnt, dass die Basare und Läden über Mittag schließen und erst gegen fünf Uhr wieder öffnen. So nutzen wir die „freie" Zeit für dringend nötige Dinge wie zum Beispiel einen Friseurbesuch. Als Mann findet man an jeder Ecke einen kleinen, einfach eingerichteten Laden. Als Frau hingegen muss man sich im Iran anscheinend irgendwo anders - hinter geschlossenen Türen- die Haare schneiden lassen. Leider finden wir nicht raus wo und wie sich Iranische Frauen die Haare schneiden, aber Jörgen kommt in den Genuss einer neuen Frisur. Das Kopftuch ist für Jessica immer noch gewöhnungsbedürftig. Ständig muss man aufpassen, dass es nicht runter rutscht. Besonders komisch ist es, wenn man irgendwo rein kommt, z. B. ein Restaurant und man kann es nicht absetzen. Man fühlt sich ein bisschen, als müsste man seine Jacke anbehalten. Man würde aber im Leben nicht vergessen, das Tuch aufzusetzen, bevor man rausgeht. Das Thema ist so präsent, als das man es vergessen könnte.

Am zweiten Tag stellen wir uns mit dem Cruiser auf einen kleinen Platz vor dem Silkroadhotel. Hier haben es sich bereits andere Reisende in Ihren Mobilen gemütlich gemacht. Zum einen ein Pärchen aus Slowenien, die mit Ihrem grünen VW- Bus auf der Reise nach Indien sind. Daneben steht ein unglaubliches Gefährt: ein LKW, 7,5 T mit einem alten Wohnwagen hinten drauf. Schnell lernen wir die ulkige Truppe kennen, die auch auf dem Weg nach Indien ist. Woid, der Besitzer und Fahrer fährt seit 25 Jahren jedes Jahr von Slowenien nach Indien und bleibt jeweils 6 Monate vor Ort. Mit dabei ist seine Freundin und 3 junge Türken, die er für ein wenig Geld mit nach Indien nimmt. Eine sehr lustige Truppe vom Werbefilmer bis zum Soapwriter.

Natürlich denken wir darüber nach, warum die fahren und wir nicht. Dennoch hat sich unsere Entscheidung gefestigt. Außerdem sind Schmuggler nicht an einem alten VW- Bus interessiert...

  

10. November 2006_ Nach Yazd schlagen wir die nördliche Richtung ein. Wir fahren nach Esfahan und finden für drei Tage ein super Hotel mit Campingmöglichkeit. Wir verlängern unser Iranvisum und fahren jeden Tag in die Innenstadt und gehen auf dem Basar einkaufen. Jetzt, wo wir Richtung Heimat fahren, können wir noch mal richtig in den Souvenirgeschäften zuschlagen. Im Auto wird geräumt und gekramt, bis jedes erstandene Teil einen Platz findet. Erstaunlich, was doch immer wieder ins Auto passt...

Es geht immer mehr Richtung Norden und es fängt an, nachts empfindlich Kalt zu werden. Auf dem Weg zur Grenze besuchen wir die Ali Sadre - Höhle.

Was uns erwartet ist eine große touristische Anlage mit Restaurants, Spielplätzen, Hotel und diversen Souvenirshops. Das Wetter ist herbstlich sonnig und die Anlage ist kaum besucht. Unser Glück, denn wie wir erfahren, werden im Sommer täglich an die 9000 Besucher durch die Höhle „gerudert". Wie wir sehen, ist selbst in der Höhle, die sich über ein weit verzweigtes Gebiet erstreckt, alles „erschlossen". Am Eingang steigen wir mit anderen Besuchern in die bunten Plastikboote die von einem elektrischen Motorboot durch das Höhlensystem gezogen werden. Die Höhle ist gigantisch und wunderschön. In der großen Haupthöhle dröhnt einem allerdings schon Musik entgegen und nachdem wir über breite Betontreppen den höchsten Punkt eines Felsens in der Höhle erreicht haben, erwartet uns schon ein bestuhlter Imbissverkauf. So also die iranische Auffassung von sensiblem Umgang mit besonderen Naturbegebenheiten.

  

14. November 2006_ Wir übernachten auf einer Wiese auf 2324 Meter Höhe und als wir am Morgen die Tür öffnen, ist alles von einer weißen, glitzernden Schicht überzogen. Der frische Morgenkaffee dampft im Becher und nun heißt es wirklich, die dicksten Klamotten raussuchen und warm anziehen.

In Maku, kurz vor der Grenze zur Türkei gönnen wir uns noch mal ein Zimmer im Hotel. Am nächsten Tag überqueren wir die Grenze ohne Probleme. Wie man uns bei der Einreise versicherte, stellt sich der Iran in der Tat als liberal heraus. Auch zur Türkei gibt es keine Probleme. Ab jetzt sind wir tatsächlich auf der Heimfahrt. Ca. 3500 Kilometer und einige Pässe liegen noch vor uns. Auf geht's!